Der Unterschied, den Oikocredit macht
Wir sprachen mit Elikanah Ng‘ang‘a, Referent für Social Performance & Capacity Building bei Oikocredit Afrika, was hinter den Zahlen unseres aktuellen Wirkungsbericht 2021 steckt. Er erläuterte uns die unterschiedlichen Aspekte seiner Arbeit mit unseren Partnerorganisationen und den Unterschied, den Oikocredit macht.
Nachdem er für verschiedene Mikrofinanzorganisationen tätig war, wechselte Elikanah Ng’ang’a vor zwölf Jahren als Referent für Social Performance & Capacity Building zu Oikocredit. Während sich sein Tätigkeitsfeld anfangs auf Ostafrika beschränkte, betreut er inzwischen all unsere Partnerorganisationen auf dem afrikanischen Kontinent.
Von Nairobi (Kenia) aus kümmert er sich um die Prüfung unserer Partnerbewertungen nach ESG-Kriterien Er ermittelt den Bedarf unserer Partnerorganisationen an Beratungs- und Schulungsangeboten und begleitet die entsprechenden Projekte. Gemeinsam mit den Partnern beschafft er die Mittel für diese Projekte und berichtet an die Geldgeber*innen.
Warum misst Oikocredit die von ihr erzielte Wirkung und veröffentlicht jedes Jahr einen Wirkungsbericht?
Wir wollen Rechenschaft ablegen, sowohl uns selbst gegenüber als auch im Hinblick auf unseren sozialen Auftrag, also die Lebensumstände wirtschaftlich benachteiligter Menschen durch Finanzierung von Partnerorganisationen im globalen Süden zu verbessern. Wenn wir unsere Wirkung nicht messen, wissen wir nicht, ob wir diesem Auftrag gerecht werden. So können wir uns auf die Aspekte unseres sozialen Auftrags konzentrieren, die Raum für Verbesserungen bieten.
Indem wir die Wirkungsdaten unserer Partnerorganisationen erheben, nehmen wir auch sie in die Pflicht. Wir sind deshalb für sie attraktiv, weil wir ein sozial orientierter Investor sind. Mit der Veröffentlichung unserer Wirkungsberichte werden weitere potenzielle Partner auf uns aufmerksam.
Aus Mitarbeiterbefragungen wissen wir zudem, dass die Wirkung, die unsere Mitarbeiter*innen mit ihrer Arbeit erzielen, sinnstiftend ist und sie motiviert. Über unseren Auftrag berichten zu können, ist für unsere Mitarbeiter*innen ein wichtiger Pluspunkt, der ihre Bindung an die Genossenschaft stärkt und sie anspornt.
Und nicht zuletzt ist unsere Wirkung von großer Bedeutung für unsere Anleger*innen, denn schließlich vertrauen sie uns ihr Geld an: Ihnen ist wichtig, dass ihr Geld Wirkung erzielt! Und der Wirkungsbericht ist ihnen wichtig, damit sie nachvollziehen können, was mit ihrem Investment geschieht. Überdies ist der Bericht von großer Bedeutung, wenn es darum geht, neue Anleger*innen zu gewinnen.
Auf welche kürzlich erreichten Wirkungen kann Oikocredit Ihrer Meinung nach besonders stolz sein?
Die Unterstützung unserer Partnerorganisationen lässt sich mit zwei Worten beschreiben: Überleben und Wachstum. Als die Pandemie in Afrika ausbrach, schafften wir es rasch zu handeln und unseren Partnerorganisationen während der Lockdowns Zahlungspausen zu gewähren. Ferner unterstützten wir sie mit Zuschüssen aus dem Oikocredit-Solidaritätsfonds, damit sie zum Beispiel Schutzausrüstung beschaffen konnten. Auch hier ging es ums Überleben. Wir veranstalteten Videokonferenzen, damit unsere Partnerorganisationen Ideen und Erfahrungen zum wirtschaftlichen Überleben austauschen konnten. Wir haben zahlreiche Covid-19-Initiativen ins Leben gerufen, um ihnen zu helfen, und darauf können wir stolz sein.
Inzwischen kommen viele Organisationen mit der Bitte auf uns zu, sie im Hinblick auf ihre Liquidität zu unterstützen – sie haben die Phase, in der es um das nackte Überleben ging, hinter sich und wollen nun wieder ins Wachstum durchstarten. Entsprechend haben wir unseren Kreditvergabeprozess beschleunigt, um diesen dringenden Bedarf zu decken, sodass unsere Partnerorganisationen ihrerseits den Bedürfnissen ihrer Kund*innen gerecht werden können.
Jüngsten Umfragen des African Management Institute zufolge macht für nahezu 80 Prozent der Firmen ein Kredit zur Verbesserung ihrer Liquiditätssituation den größten Unterschied bei der Bewältigung der Pandemiefolgen. Oikocredit ebnet Unternehmen den Weg zurück zum Wachstum.
Welche Folgen hat die Pandemie für die Wirkung von Oikocredit?
Zunächst einmal lässt sich sagen, dass wir nicht so viele neue Partnerorganisationen und Endkund*innen wie geplant erreicht haben. Man könnte also sagen, dass unsere soziale Wirkung daher infolge der Pandemie geringer war als erwartet.
Wir mussten unsere Planung anpassen, den geplanten Ausbau unseres Projektfinanzierungsportfolios aufschieben, Refinanzierungen begrenzen und die Auszahlung von Darlehen an neue Partnerorganisationen aussetzen. Dadurch konnten wir uns darauf konzentrieren, unsere bestehenden Partner auf dem Weg durch die Krise zu unterstützen.
Unsere Partnerorganisationen haben ihre Ambitionen infolge der Pandemie ebenfalls zurückgeschraubt. Auch dadurch verringert sich die Zahl der Endkund*innen, die wir erreichen konnten. Hinzu kommt, dass manche Endkund*innen, die über Ersparnisse verfügen, lieber auf diese Mittel zurückgreifen als in diesen unsicheren Zeiten einen neuen Mikrokredit aufzunehmen.
Die Durchführung unserer Beratungs- und Schulungsprogramme wurde ebenfalls beeinträchtigt – wir mussten einige der Programme aufgrund von Einschränkungen durch Covid-19 verschieben.
Hat die Pandemie verändert, wie Sie über die Schaffung von positiver sozialer Wirkung denken?
In gewisser Weise ja, denn die Pandemie hat uns die weiterhin riesige Kluft zwischen Arm und Reich vor Augen geführt, die immer größer wird. Menschen mit höherem Einkommen scheinen diese Pandemie im Großen und Ganzen besser bewältigt zu haben als arme Menschen. In Afrika ist es beispielsweise für manche Menschen mit Covid-19 nahezu unmöglich, die notwendige medizinische Versorgung zu erhalten. Menschen sind gestorben, weil sie sich keinen Sauerstoff leisten konnten.
Bei Oikocredit müssen wir daher unsere Anstrengungen verdoppeln, um die Armut in wirtschaftlich benachteiligten Ländern und ländlichen Gebieten zu verringern. Das können wir nicht allein, und wir müssen Wege finden, um gemeinsam mit anderen daran zu arbeiten. Insofern halte ich unsere neue Strategie, die wir derzeit ausarbeiten, für vielversprechend: Es gilt, mit einem breiteren Spektrum von Organisationen zusammenzuarbeiten und Kooperationsmöglichkeiten zu entwickeln, um eine noch größere Wirkung zu erzielen.
Die Pandemie hat uns auch vor Augen geführt, dass wir alle miteinander verbunden sind. Wenn sich ein Land im Lockdown befindet, kann ich meine Partnerorganisationen nicht mehr besuchen, und diese können nicht mehr ihre Kund*innen besuchen. Zudem gibt es Beschränkungen auf globaler Ebene, die die Geschäfte zwischen den Ländern beeinträchtigen. Die Pandemie hat uns gelehrt, dass alle Probleme letztlich auch vor unserer Haustür angekommen und dass wir global zusammenarbeiten müssen, um Armut und Ungleichheit zu überwinden.
Glauben Sie, dass die Pandemie in Afrika zu einer größeren Bedürftigkeit geführt hat?
Ja. Wenn Sie sich den afrikanischen Kontinent anschauen, also 54 Länder: Noch nicht einmal zwei Prozent der Bevölkerung sind vollständig gegen Covid-19 geimpft. Afrika wird noch lange mit der Pandemie zu kämpfen haben, und das wird zweifelsohne mit großem Leid verbunden sein.
In Afrika ist die Armut weitaus stärker ausgeprägt als in anderen Teilen der Welt – für einen Kontinent, der bereits von Klimawandel, Dürre und Hungersnöten betroffen ist, kann sich die Ungleichheit nur noch verschärfen. Angesichts der schlechten Gesundheitsversorgung auf dem afrikanischen Kontinent nimmt die Notwendigkeit von Investitionen zu, um das Leid zumindest etwas zu lindern.
Gerade in Afrika sind Projekte im Bereich erneuerbare Energien hilfreich, denn viele Menschen sind nicht an das Stromnetz angeschlossen und haben keinen Zugang zu sauberen Energieformen.
Was bedeutet Ihnen die soziale Wirkung von Oikocredit persönlich?
Die Arbeit von Oikocredit liegt mir sehr am Herzen. Wenn ich über die soziale Wirkung nachdenke, denke ich an die Menschen und daran, was wir für sie erreichen wollen, insbesondere für Benachteiligte: Schaffung von Arbeitsplätzen, Verringerung der Ungleichheit und Bekämpfung der Armut.
Und dann denke ich an die Umwelt und die Auswirkungen des Klimawandels. Und im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit neuen Partnerorganisationen frage ich mich: Wie können wir eine positive Wirkung auf die Umwelt erzielen und sie dabei unterstützen finanziell nachhaltig zu wirtschaften. Wenn wir zu ihrer finanziellen Nachhaltigkeit beitragen können, werden sie auch morgen noch für ihre Kund*innen sowie für Kleinbäuer*innen da sein.
Ich bemühe mich, die ESG-Bewertung als Grundlage für die Entwicklung unserer Beratungs- und Schulungsprogramme zur Unterstützung unserer Partner zu nutzen. Eine Sache, die mir besonders am Herzen liegt, ist die Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen. Ich bin nämlich der Überzeugung, dass man den Menschen einen Weg aus der Armut aufzeigt, wenn man ihnen anständige Jobs bietet, vor allem jungen Menschen.
Wie tragen Sie persönlich in Ihrer täglichen Praxis zu einer global positiven Wirkung bei?
Das ist eine wichtige Frage. Ich bin von Cerise als Gutachter für Kundenschutzrichtlinien sowie als Prüfer für soziale Wirksamkeit akkreditiert. Zudem setze ich mich für globale Initiativen zur Verbesserung der sozialen Leistungsfähigkeit ein. Erst kürzlich habe ich mich für einen Lehrgang eingeschrieben, um bis Ende des Jahres als Umweltverträglichkeitsprüfer akkreditiert zu werden.
Außerdem engagiere ich mich im Beirat einer Schule in Kibera, und ich beteilige mich an einem Nachbarschaftsprojekt für die lokale Warmwasserbereitung mit Solarenergie. Ich bin selbst auf dem Land geboren und vor Kurzem dorthin zurückgekehrt, um Bäume zu pflanzen und meine Nachbar*innen ebenfalls dazu zu ermuntern. Hier und da entstehen bereits kleine Wäldchen.
Wie bei den vielen verschiedenen Aspekten meiner Arbeit für Oikocredit gilt auch hier: Die kleinen Schritte, die ich mache, haben hoffentlich letztendlich Wirkung.
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