Von der Bohne bis zur Tasse

Von der Bohne bis zur Tasse

Wie Oikocredit-Partner Kaffeebauernfamilien in Peru unterstützen

1. Oktober 2024 - von Ulrike Haug

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Letzte Woche war ich mit dem Kaffeeexperten Gerardo Alarcón Cubas vom peruanischen Oikocredit-Partner Sol y Café in Deutschland unterwegs. Dabei kamen viele Erinnerungen an meinen Besuch bei seiner Genossenschaft und anderen Oikocredit-Partnern im Norden Perus hoch. Zeit, endlich meine Reflektionen zur Oikocredit-Journey aufzuschreiben.

Im Mai konnte ich mit einer Gruppe von Oikocredit-Anleger*innen das Herz der peruanischen Kaffeeproduktion in der Region Cajamarca besuchen. Dort trafen wir auf kompetente und hart arbeitende Kaffeebäuerinnen und -bauern und engagierte Genossenschaften. Wir konnten uns aus erster Hand von den sozialen Auswirkungen der Oikocredit-Finanzierung auf die Familien der Kleinbäuerinnen und -bauern überzeugen.

Genossenschaften und Zertifizierung sind wichtig

Die Zugehörigkeit zu einer Genossenschaft und die Erlangung von Zertifizierungen (wie Bio, Fairtrade oder Rainforest Alliance) können das Leben der Bäuerinnen und Bauern erheblich beeinflussen. Wie im Fall von Kelly Aranda Chuqihuanga, Mitglied der Oikocredit-Partnergenossenschaft Cooperativa Agraria Frontera San Ignacio (COOPAFSI). Zusammen mit ihrem Mann Hernan baut sie auf sechs Hektar steiler Hänge in einem abgelegenen Gebiet nördlich von San Ignacio Bio- und Fairtrade-Kaffee und andere Früchte an.

Mit technischer Unterstützung von COOPAFSI konnte Kelly den Ertrag und die Qualität ihrer Kaffeeernte verbessern. Zusammen mit den Prämien, die sie durch Bio- und Fairtrade-Zertifizierungen erhält, bedeutet dies ein höheres Einkommen für ihre Familie. Der verbesserte Lebensstandard hat es Kelly und Hernan ermöglicht, eine Toilette und Küche zu bauen und in die Ausbildung ihrer Kinder zu investieren – das älteste hat gerade die Universität abgeschlossen.

Kaffeebäuerin Kelly Aranda Chuqihuanga

Qualitätskaffee stärkt die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit

Sorgfältig angebauter hochwertiger Kaffee kann den Bäuerinnen und Bauern ein stabiles Einkommen sichern. Das weiß und lebt Mauro Perez Bustamante, Mitglied des Oikocredit-Partners Coopac Norandino, vor.

Er nutzte Darlehen der Kredit- und Spargenossenschaft, um seine Kaffeeplantage auszubauen und in die Ausbildung seiner vier Söhne zu investieren. Mauro zieht es vor, seinen hochwertigen Kaffee an Caravela, ein privates Kaffeeunternehmen zu verkaufen, statt an eine Kaffeegenossenschaft.

Die technische Unterstützung durch den Oikocredit-Partner Caravela hat Mauro geholfen, Spitzenkaffee anzubauen, der bessere Preise erzielt und seine Abhängigkeit von den schwankenden Weltmarktpreisen verringert. „Ich baue besseren Kaffee an als die meisten anderen, und Caravela zahlt mir dafür einen besseren Preis“, erzählte er mir bei einem gemeinsamen Mittagessen.

Klimawandel: Bestimmte Kaffeepflanzen sind resistenter

Alle Bäuerinnen und Bauern, mit denen wir sprachen, berichteten von den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Kaffeeplantagen. Wilson Jonny Silva Sanchez, ehrenamtlicher Vorsitzender der Oikocredit-Partnergenossenschaft Sol y Café, erklärte, dass die jüngsten Dürren die Ernte verzögert und zu kleineren Kaffeebohnen geführt haben. Das wiederum wirkt sich negative auf Qualität und Preise aus.

Auf seiner Kaffeefarm experimentiert Wilson jetzt mit widerstandsfähigeren Kaffeepflanzensorten. Alle Bauern, mit denen unsere Gruppe zusammentraf, nehmen jetzt an Aufforstungsprogrammen teil und pflanzen Bäume, die ihre Kaffeepflanzen beschatten und schützen.

Arbeit im Kaffeesektor: Attraktivität und Herausforderungen

Der arbeitsintensive Charakter des Kaffeeanbaus bringt eine Reihe von Herausforderungen mit sich.

Es wird immer schwieriger, junge Menschen zu finden, die bereit sind, im Kaffeesektor zu arbeiten. Die jüngere Generation, die oft über eine bessere Ausbildung als ihre Eltern verfügt, sucht in der Regel nach alternativen Karrieremöglichkeiten und hat kaum Interesse, die Kaffeefinca der Familie zu übernehmen.

Für die Zukunft der nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion ist es von entscheidender Bedeutung, die Attraktivität von Berufen im Kaffeesektor und in anderen landwirtschaftlichen Bereichen zu erhöhen. Initiativen wie die vom Oikocredit-Partner Sol y Café ins Leben gerufene Schule ermutigen Kinder, sich mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten vertraut zu machen, indem sie z. B. die Gärtnerei der Schule betreuen. „Die Schule basiert auf unserer Genossenschaftsphilosophie. Hier teilen wir unsere Kultur und unsere Leidenschaft für die Landwirtschaft mit den Kindern unserer Mitglieder, Beschäftigten und der örtlichen Gemeinschaft“, berichtete Geschäftsführer Gerardo Alcarón Cubas.

Bei seiner Reise zu verschiedenen Oikocredit-Förderkreisen in der vergangenen Woche berichtete er, dass sich die Kinder nach Abschluss der Schule zwar doch oft für einen anderen Beruf entscheiden. “Aber sie bleiben dennoch Botschafter für den nachhaltigen Anbau von Kaffee und wissen, wie man guten Kaffee erkennt und zubereitet.”

Geschäftsführer von Sol y Café, Gerardo Alcaron Cubas

Oikocredit: Überbrückung der Finanzierungslücke

Die Kaffeepartner von Oikocredit sehen sich mit einer jährlichen Finanzierungslücke konfrontiert, die ihre Betriebs- und Wachstumsfähigkeit beeinträchtigt. Wenn die Bäuerinnen und Bauern bereit sind, ihre Kaffeeernte zu verkaufen, müssen die Genossenschaften und Verarbeitungsbetriebe sie umgehend bezahlen. Selbst erhalten sie die Zahlungen jedoch erst zwei bis drei Monate später, nachdem ihr Kaffee verarbeitet und nach Europa oder andere Kontinente verschifft wurde.

Donald Delgado Sanchez, Geschäftsführer vom Oikocredit-Partner UNICAFEC, berichtete uns wie wichtig die Oikocredit-Darlehen für seine Genossenschaft sind: „Wir sind dankbar für die Kredite, die wir zeitnah bekommen und die es uns ermöglichen, unsere Mitglieder sofort auszuzahlen. Ohne diese Finanzierung würden unsere Mitglieder ihren Kaffee an andere Abnehmer verkaufen.“

Oikocredit ist oft nicht der einzige Geldgeber, wie wir zum Beispiel von Lenin Tocto Minga, dem kaufmännischen Leiter bei unserem Partner Finca Churupampa, erfuhren. Aber Oikocredit und andere Impact-Investoren bieten niedrigere Zinssätze als lokale Banken und unterstützen die Partner auch durch andere Maßnahmen wie Beratung und Schulungen.

In schwierigen Zeiten steht Oikocredit ihren Partnern zur Seite, wie sich bei unserem Besuch bei Sol y Café zeigte. Als die Genossenschaft aufgrund der Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geriet, gewährten die örtlichen Banken keinen Kredit, aber die Genossenschaft konnte sich dank der kontinuierlichen Finanzierung durch Oikocredit wieder erholen.

Kaffeeverarbeitungsanlage

Eine neue Wertschätzung für Kaffee

Die Reise nach Peru hat uns einen Einblick gegeben, wie viele verschiedene Schritte nötig sind, um eine Tasse Kaffee zubereiten zu können. Von der Bohne bis zur Tasse wurde deutlich, dass die Kaffeewirtschaft in Peru und anderswo auf einem Netz von miteinander verknüpften Faktoren beruht.

Genossenschaften spielen eine entscheidende Rolle. Mit ihrer finanziellen und technischen Unterstützung können Kleinbäuerinnen und -bauern ihre Praktiken verbessern und ihre Produkte effektiv vermarkten. Zertifizierungen stellen sicher, dass der Kaffee hohe Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards erfüllt und die die Wirkung des Kaffeeanbaus auf Natur und Mensch verbessert wird. Ein Fokus auf Klimaresilienz hilft den Bäuerinnen und Bauern, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Vor allem aber ist eine verlässliche Finanzierung für den Erhalt und das Wachstum des Kaffeesektors von entscheidender Bedeutung.

Dank der Oikocredit-Kaffeereise trinke ich nun viel bewusster Kaffee. In jeder Phase der Kaffee-Wertschöpfungskette – von der Finca, über die Lagerung, Verarbeitung und Export bis hin zur Röstung – gibt es viele Menschen, die mit großem Einsatz und Aufwand dafür sorgen, dass wir jeden Morgen eine faire Tasse Bio-Kaffee genießen können. Ihnen gebührt mein Dank und Respekt.