Corona-Schlaglicht aus Afrika: Der "Water Man" (Teil 2/3)
Was wird in der Corona-Krise am meisten gebraucht? Wie helfen Oikocredit-Partnerorganisationen in Afrika ihren Mitgliedern und Kund*innen? Inspiriert vom selbstlosen Einsatz des „Water Man“ geht unser Kollege Elikanah Ng'ang'a aus dem Oikocredit-Büro Ostafrika diesen Fragen im zweiten Teil seines Berichts nach. Von Handykursen für Teebauern, Lebensmittelhilfen für Gelegenheitsarbeiter und Zahlungsbefreiungen.
Der Water Man ist mir einfach nicht aus dem Kopf gegangen. Dieser selbstlose Einsatz eines arbeitslosen Schulbusfahrers für Menschen, mit denen er gar nichts zu tun hatte, hat mich schwer beeindruckt. In den Wochen danach habe ich oft mit meinen Oikocredit-Kolleg*innen darüber gesprochen. Auch wir bei Oikocredit arbeiten ja mit Organisationen zusammen, die findig sind und einen positiven Mehrwert leisten wollen. Diese Qualität ist in Krisenzeiten umso wichtiger. Wir wollten nun wissen, was sie in der Praxis unternommen haben, um die fatalen Folgen von Covid-19 abzumildern. Eine Probe auf's Exempel - gerade für mich hochspannend, weil ich ja im Oikocredit-Büro Ostafrika in Kenia zuständig für die soziale Wirkung unserer Arbeit bin.
Wir haben daher mit verschiedenen Partnerorganisationen Kontakt aufgenommen. Dass wir immer wieder nachfragen, ist ihnen schon bekannt. Vor jeder Finanzierungsanfrage wird eingehend geprüft. Und wenn wir erfahren, das Dinge für ihre Kund*innen schieflaufen, bohren wir nach. Denn das Wohlergehen von Kleinkreditnehmer*innen liegt uns besonders am Herzen.
Was wir erfuhren, war ermutigend. Einige der Mikrofinanzinstitutionen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben während des Lockdowns keine Rückzahlungen von ihren Kund*innen gefordert. Andere sind in engem Kontakt mit ihren Kund*innen, um zu verstehen, wie sich das Coronavirus auf deren Geschäfte auswirkt und was sie brauchen. Wieder andere haben digitale Zahlungen oder Covid-19-Schutzrichtlinien eingeführt. Aber einige von ihnen sind noch einen Schritt weitergegangen.
Hier sind ihre Geschichten. Sie machen uns stolz darauf, für Oikocredit zu arbeiten und mit Partnern zusammenzuarbeiten, die unsere Werte teilen.
Kostenlose Mobiltelefone für Kleinbäuer*innen
Karongi Tea Factory (KTF) ist einer unserer Partner in Ruanda. Das Unternehmen kauft Grünteeblätter von genossenschaftlich organisierten Kleinbäuer*innen und verarbeitet und exportiert den Tee.
Als das Virus in Ruanda auftauchte, ergriff die Regierung sofort eine Reihe an Maßnahmen. Eine davon war, dass die Bäuer*innen für ihre Erzeugnisse ab sofort ausschließlich digital bezahlt wurden. Das warf neue Probleme auf. Denn KTF beobachtete, dass einige Bäuer*innen ihre Zahlungen nicht rechtzeitig erhielten. Wie sich zeigte, lag das daran, dass diese Teebäuer*innen schlicht und ergreifend keine Mobiltelefone besaßen. Hier handelte KFT schnell und lösungsorientiert: Sie stellten 10.000 US-Dollar für den Kauf von Handys für die Bäuer*innen zur Verfügung. Zudem kooperierten sie mit einem Mobilfunkanbieter, der die Kleinbäuer*innen im Umgang mit den Geräten schulte. Die Handys wurden ihnen kostenlos zur Verfügung gestellt.
Übrigens: Unterstützung über Finanzierungen hinaus gehört bei auch Oikocredit zum Standard. So gibt es auch von Oikocredit und KTF ein Projekt, bei dem zwei Millionen qualitativ hochwertige Teesetzlinge gezogen und anschließend den rund 2.000 Kleinbäuer*innen zur Verfügung gestellt werden. Trotz der vielen Herausforderungen von Covid-19 ist dieses Aufzuchtprojekt von Setzlingen gut angelaufen. Sobald die Ausgangsbeschränkungen in Ruanda es zulassen, wird die Ausbildung der Kleinbäuer*innen weitergeführt.
Nahrungsmittelhilfe für Gelegenheitsarbeiter*innen in Zwangspause
Ein anderes Beispiel: Paem Company Ltd (Paem) ist ein relativ neuer Partner von Oikocredit mit Sitz in Kenia. Das Unternehmen kauft Macadamianüsse von Kleinbäuer*innen und verarbeitet sie.
Als das Coronavirus Kenia erreichte, durfte das in der Lebensmittelindustrie tätige mittelständische Unternehmen Paem zwar weiterarbeiten, es musste jedoch die Richtlinien des Gesundheitsministeriums befolgen. In der Praxis bedeutete das unter anderem, dass in der Fabrik Abstandsregeln eingehalten und 114 Gelegenheitsarbeiter*innen nach Hause geschickt werden mussten. An dieser Stelle wird der Unterschied des Oikocredit-Partners gegenüber anderen Unternehmen deutlich: Denn anstatt ihre Mitarbeiter*innen einfach zu entlassen und Kosten zu sparen, beschloss Paem ein Unterstützungspaket. Es stellte Mittel bereit, um die Familien der Gelegenheitsarbeiter*innen mit Lebensmitteln zu versorgen, bis diese wieder arbeiten dürfen. Zwar wusste Paem nicht, wie lange diese Situation anhalten würde, aber es war klar, dass die Mitarbeiter*innen mehr denn je ihre Hilfe brauchten. Derzeit ist es nämlich fast unmöglich, eine andere Arbeit zu finden.
Bargeldzahlungen an Motorradfahrer*innen im Lockdown
Und dann ist da noch Tugende, auch einer unserer neueren Partner in Uganda. Das Sozialunternehmen finanziert mitunter den Kauf von Motorrädern. Viele Transporte erfolgen in Uganda nämlich mit dem Motorrad und bieten daher einkommensschwachen Fahrer*innen eine gute Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen und ihre Familien besser versorgen zu können. Allerdings bleibt in den meisten Fällen nur wenig dabei hängen. Das liegt daran, dass vielen dieser Fahrer*innen die Motorräder gar nicht selber gehören, sondern dass sie sie bei Leuten aus der Mittelschicht mieten. Das schmälert ihr Einkommen - und dort setzt Tugende an.
Als Covid-19 in Uganda zuschlug, verhängte die Regierung eine totale Ausgangssperre in Kampala. Sowohl private als auch öffentliche Verkehrsmittel standen still. Auch Motorräder durften keine Passagiere befördern. Das wirkte sich massiv auf den Betrieb von Tugende und seine Kund*innen aus. Um den Fortbestand der Geschäfte der Fahrer*innen zu sichern, beschloss Tugende, allen seinen Kreditnehmer*innen Bargeld für den Kauf von Lebensmitteln auszuhändigen. Außerdem wurden ihre Rückzahlungen auf unbestimmte Zeit verschoben, etwaige Strafen für verspätete Rückzahlungen wurden gestrichen. Während die meisten Organisationen die Befreiung bzw. Verschiebung der Rückzahlungen befristeten, beschloss Tugende, die Ausnahmeregelung fortzuführen - auch weil die Verantwortlichen wissen, dass ihre Kund*innen aktuell überhaupt kein Geld verdienen. Ein solches Handeln ist ganz im Sinne von Oikocredit und der Menschen, die dahinter stehen.