Transparenz und Verantwortung
Hunderte Tote bei Bränden in ungesicherten Zulieferer-Fabriken in Pakistan oder Bangladesch, Lohndumping, Kinderarbeit, Krankheiten durch Pestizideinsatz auf Plantagen, zerstörende Folgen des Klimawandels: Globale Produktions- und Handelsbedingungen gehen besonders zu Lasten von Arbeiter* innen und Bäuer*innen in benachteiligten Ländern und zu Lasten der Umwelt. Darum macht sich die Initiative Lieferkettengesetz für verbindliche Standards für beteiligte deutsche Unternehmen stark. Der Westdeutsche Förderkreis macht mit. Ehrenamtskoordinator Jens Elmer, der in Münster mit der Initiative zusammenarbeitet, erläutert warum.
Wir wissen aus vielen Gesprächen: Menschen, die bei Oikocredit anlegen, sind meist für die oben benannten Probleme sensibel und versuchen im Alltag, sich nachhaltig zu verhalten. Wäre es nicht gut, wenn man einkaufen gehen könnte, ohne auf die zum Teil verwirrenden Siegel zu achten? Wenn man sich darauf verlassen könnte, dass in unseren Läden alle Produkte aus dem globalen Süden so pro- duziert wurden, dass sie Mensch und Umwelt weniger schaden?
Einen Schritt hin zu dieser Vision möchte die Initiative Lieferkettengesetz beschreiten, die am 10. September 2019 mit einer Aktion vor dem Berliner Reichstag die Kampagne für einen verbindlichen Rahmen, ein Gesetz für Unternehmen startete.
Schon 2011 nahm der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte an. Zur Umsetzung dieser Leitprinzipien hat die Bundesregierung 2016 einen „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) verabschiedet, der auf Freiwilligkeit beruht. Sollten bis 2020 nicht mindestens 50 Prozent der großen Unternehmen freiwillige Prozesse zur Achtung der Menschenrechte in der Lieferkette initiiert haben, schlägt derNAP vor, ein Gesetz zu prüfen. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht für den Fall ein Lieferkettengesetz vor.
Freiwilligkeit reicht nicht
Hier setzt nun die Kampagne an. Sie wird von mittlerweile 90 Organisationen getragen, darunter der Westdeutsche Förderkreis von Oikocredit. Das Gesetz soll große Unternehmen gesetzlich verpflichten, Menschenrechte und Umweltstandards in der Lieferkette zu achten. Bei Verstößen sollen Betroffene oder Hinterbliebene das Recht erhalten, vor deutschen Gerichten zu klagen.
Im Frühjahr wurde ein interner Gesetzesentwurf aus dem von Gerd Müller geleiteten Entwicklungshilfeministerium publik. Die Reaktionen der großen Unternehmerverbände ließen nicht lange auf sich warten. „Was der Minister plant, gefährdet unsere Existenz… Die deutschen Marken produzieren nach den weltweit höchsten Umwelt- und Sozialstandards.“, sagte beispielsweise die Präsidentin des Gesamtverbands textil+mode, Ingeborg Neumann (Die Zeit, 18.04.2019). Die vielen Unfälle, der bekannteste sicher der Brand in Rana Plaza/Bangladesch am 24. April 2013 mit 1.135 Toten, stehen diesem Statement entgegen. Die Frankfurter Rundschau zitierte am 12.11.2019 aus einer Studie des Global Policy Forum (GPF) zu Lobbyaktivitäten des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). „Die von BMWI (Bundeswirtschaftsministerium) und Kanzleramt in den interministeriellen Ausschuss eingebrachten Forderungen deckten sich in vielfacher Hinsicht mit denen der Wirtschaftsverbände“, so Karolin Seitz (GPF), Autorin der Studie.
Kampagne braucht Unterstützung
Doch nimmt erfreulicherweise die Zahl der Unternehmen zu, die sich für ein verbindliches Gesetz aussprechen. Derzeit haben Unternehmen, die sich an Menschenrechte halten, einen Wettbewerbsnachteil, da sie mehr Aufwand haben und etwas teurer produzieren. Ein Gesetz würde die Missachtung von Standards nicht mehr belohnen. „Freiwilligkeit einzelner Firmen reicht nicht. (…) Staatliche Regulierung kann ein wichtiger Schritt sein, um voranzukommen. Auch freie Marktwirtschaft braucht Regeln.“, so Nanda Bergstein, Direktorin für Unternehmensverantwortung bei Tchibo. Ähnliche Statements findet man von BMW, Vaude und Danone (Initiative Lieferkettengesetz: Argumentationsleitfaden, S. 16). Die nationalen Parlamente in Frankreich und den Niederlanden haben 2017 beziehungsweise 2019 entsprechende Gesetze verabschiedet.
Es braucht unserer Meinung nach Druck aus der Gesellschaft, damit Politiker*innen Entscheidungen für nachhaltige Entwicklung treffen. Die Organisationen der Initiative Lieferkettengesetz führen Aktionen und Veranstaltungen durch, die man hier einsehen kann: www.facebook.com/InitiativeLieferkettengesetz/. Sie diskutieren in Lobbygesprächen mit Politiker*innen, um sie als Unterstützer*innen für ein verbindliches Gesetz zu gewinnen. Daran können sich alle beteiligen, ebenso an der online-Petition.