Geschäftsjahr 2020: Ausdruck von Resilienz und Solidarität
Die Genossenschaft Oikocredit, die weltweit als soziale Kreditgeberin tätig ist, hat heute ihr Jahresergebnis für 2020 veröffentlicht. Die Coronavirus-Pandemie hatte negative Folgen für Erträge, Vermögen und Portfolio der Genossenschaft. Doch ihre Geschäftskontinuität ist dank der Loyalität ihrer Anleger*innen gewahrt.
Wesentliche Zahlen
- Konsolidiertes Nettoergebnis: Verlust von 22,2 Millionen Euro (2019: Gewinn von 14,3 Millionen Euro)
- Bilanzsumme: 1.241,7 Millionen Euro (2019: 1.310,4 Millionen Euro)
- Insgesamt verfügbare Investitionsmittel: 1.213,4 Millionen Euro (2019: 1.271,2 Millionen Euro)
- Nettoliquidität in % der Bilanzsumme: 33,1 Prozent (2019: 19,6 Prozent)
- Nettoinventarwert (NAV) eines Anteils: 210,50 Euro (2019: 214,41 Euro)
- Entwicklungsfinanzierungsportfolio: 845,1 Millionen Euro (2019: 1.064,6 Millionen Euro)
- Zahlungsaufschub gewährt für 136 Partner
- 71 bestehende und künftige Partnerorganisationen profitierten von Beratungs- und Schulungsprogrammen in Höhe von 0,7 Millionen Euro (2019: 0,7 Millionen Euro)
- Weltweit 58.400 Privatanleger*innen und institutionelle Investor*innen (2019: 59.000); davon 28.000 aus Deutschland (2019: 27.500)
Stabiles Geschäftsmodell trotz Pandemie
Mit Ausbruch der Corona-Krise priorisierte Oikocredit die Unterstützung der Partnerorganisationen, die Risikokontrolle und umsichtiges Finanzmanagement durch ein hohes Maß an Liquidität und strikte Kostenkontrolle. Das bedeutete, dass Wachstumsmaßnahmen sowie die Kreditvergabe an neue Partnerorganisationen vorübergehend zurückgestellt wurden, bis die stärksten Effekte der Krise ersichtlich und kontrollierbar wurden.
Die überwiegende Mehrheit der Anleger*innen blieb Oikocredit treu. Dank ihrer Unterstützung konnte die geschäftliche Kontinuität gewahrt werden. Dennoch blieb das Finanzergebnis von Oikocredit 2020 von den Folgen der Pandemie nicht verschont: Die Genossenschaft verzeichnete einen Nettoverlust in Höhe von 22,2 Millionen Euro sowie einen leichten Rückgang ihrer Bilanzsumme auf 1.241,7 Millionen Euro.
Angesichts der rapide um sich greifenden Pandemie ergriff Oikocredit rasche Maßnahmen, um ihr Geschäftsmodell zu sichern, welches die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen sowie Beratung und Schulung für 563 Partnerorganisationen in den Bereichen inklusives Finanzwesen, Landwirtschaft und erneuerbare Energien umfasst. Diese Partner waren daher in der Lage, auch weiterhin darauf hinzuwirken, das Leben wirtschaftlich benachteiligter Menschen in 63 Ländern in Oikocredits Schwerpunktregionen Afrika, Asien sowie Lateinamerika und der Karibik zu verbessern.
Daneben hielt die Genossenschaft ihre Mitglieder und Anleger*innen über ihre eigens dazu eingerichtete Webseite www.oikocredit.coop/covid-19 über die aktuelle Entwicklung auf dem Laufenden. Sicherheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen hatte ebenfalls höchste Priorität. Dank des Einsatzes und Engagements ihrer Mitarbeiter*innen und der 2019 abgeschlossenen internen Umstrukturierung konnte Oikocredit den Auswirkungen der Pandemie rasch und effektiv begegnen.
Entwicklungsfinanzierung
Partnerorganisationen schätzten die von Oikocredit angebotenen Schulungen und Workshops – etwa zum Thema Krisenmanagement – sowie die gewährten Zahlungsaufschübe, bedarfsgerechte Refinanzierungen und Zuschüsse aus dem eingerichteten Coronavirus-Solidaritätsfonds der Genossenschaft. Das Entwicklungsfinanzierungsportfolio von Oikocredit, bestehend aus Krediten und Kapitalbeteiligungen, ging von 1.064,6 Millionen Euro auf 845,1 Millionen Euro zurück. Grund für diesen Rückgang waren der vorübergehende Stopp neuer Partnerschaften, die rückläufigen geschäftlichen Aktivitäten bestehender Partner sowie Wechselkurseffekte. Die Aufwertung des Euro sowie in geringerem Maße des US-Dollars gegenüber den Lokalwährungen belastete den Eurowert des Portfolios insgesamt. Auch die Zinserträge fielen infolge des wertmäßig rückläufigen Portfoliovolumens. Weitere Faktoren waren die Partnern in finanzieller Notlage gewährten Zahlungspausen sowie die gegenüber dem Euro wertmäßig sinkenden Tilgungszahlungen in Lokalwährung bzw. Dollar.
Oikocredits größter Schwerpunktbereich, das inklusive Finanzwesen, war vom Konjunktureinbruch weitaus stärker betroffen als die Sektoren Landwirtschaft und erneuerbare Energien. So schrumpfte das Portfolio im inklusiven Finanzwesen um über ein Fünftel auf 641,3 Millionen Euro (2019: 826,3 Millionen Euro), wenn auch das Segment Fintech (Finanztechnologie) zulegte. Die Rückgänge der Portfolios Landwirtschaft und erneuerbare Energien sind weniger ausgeprägt: 148,7 Millionen Euro (2019: 172,3 Millionen Euro) bzw. 45,7 Millionen Euro (2019: 52,1 Millionen Euro).
Nachdem die Portfolioqualität zunächst gesunken war, verbesserte sie sich gegen Jahresende wieder. Der Anteil ausfallgefährdeter Kredite (PAR 90), bei denen die Rückzahlungen mehr als 90 Tage überfällig sind, lag bei 5,8 Prozent (2019: 5,4 Prozent). Im Jahresverlauf gewährte Oikocredit 136 Partnerorganisationen Zahlungsaufschub. 108 dieser Partner konnten in der zweiten Jahreshälfte 2020 Tilgungs- und Zinszahlungen wieder aufnehmen.
Treue und Engagement der Anleger*innen
Die Tatsache, dass Oikocredits Mitglieder und Anleger*innen investiert blieben – trotz der wirtschaftlichen Ungewissheit infolge von Pandemie und Lockdowns – war von entscheidender Bedeutung. Das Mitgliederkapital, das Ausgabe- sowie Rücknahmeanträge von Genossenschaftsanteilen bis Ende November 2020 umfasste, sank insgesamt nur geringfügig um 2,3 Prozent auf 1.104,1 Millionen Euro.
Auch in Deutschland erzielte die Genossenschaft solide Ergebnisse. So waren Ende 2020 über 28.000 Menschen und Organisationen aus Deutschland mittels Genossenschaftsanteilen in Oikocredit investiert (2019: 27.500). Das Mitgliederkapital aus Deutschland betrug 562 Millionen Euro (2019: 552 Millionen Euro), was einem leichten Wachstum von 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht und über die Hälfte des gesamten Mitgliederkapitals der Genossenschaft ausmacht.
„Diese Ergebnisse sind für uns ein großer Vertrauensbeweis – und zugleich Ansporn“, sagt Imke Schulte, Geschäftsführerin von Oikocredit Deutschland. Sie ergänzt: „Dass wir in einem schwierigen Jahr unsere Mitgliederbasis stabilisieren konnten, basiert auch wesentlich auf dem Engagement der deutschen Oikocredit Förderkreise. Es ist ihnen gelungen, die Bindung zu unseren Anleger*innen aufrechtzuerhalten und zu stärken. Genau wie wir mit unseren Partnerorganisationen in diesen Zeiten vor allem digital kommunizieren und ihnen möglichst maßgeschneiderte Angebote machen, haben wir uns auch in der Anlegerkommunikation auf die neue Situation eingestellt. Wir verlegten Bildungsangebote und Formate rund um ethisches Investieren in den virtuellen Raum und entwickelten digitale Formate, die auch Begegnungen zwischen Anleger*innen und Partnerorganisationen ermöglichten. Dies schaffte Nähe und stärkte das Vertrauen in unsere Arbeit.“
Vorschlag an die Generalversammlung: keine Dividende für 2020
Angesichts der im Jahr 2020 verzeichneten Verluste und des mittelfristigen finanziellen Ausblicks wird der Vorstand von Oikocredit mit Billigung des Aufsichtsrats der Generalversammlung im Juni 2021 vorschlagen, für 2020 keine Dividende auszuschütten. Dies dient der Sicherung der Rücklagen und des Mitgliederkapitals der Genossenschaft. Zugleich sollen bestehende und neue Partner nach Abflauen der Pandemie beim nachhaltigen Wiederaufbau ihres Geschäfts unterstützt werden.
Vorsichtiger Optimismus mit Blick nach vorne
Auch das kommende Jahr wird mit Herausforderungen verbunden sein, wenngleich sich in einigen Ländern, in denen Oikocredit aktiv ist, bereits eine wirtschaftliche Erholung abzeichnet. Gemeinsam mit ihren Stakeholdern arbeitet die Genossenschaft derzeit an einer neuen, wertebasierten Strategie für die kommenden Jahre, die sie 2022 vorstellen wird. Oikocredits Modell der engen lokalen Zusammenarbeit mit Partnern, um Anleger*innen sowohl finanzielle als auch soziale Erträge zu bieten, hat sich als robust erwiesen. Angesichts der Tatsache, dass die Pandemie die soziale Ungleichheit sowohl zwischen den einzelnen Ländern als auch innerhalb der Länder noch verschärfen wird, ist der soziale Auftrag der Genossenschaft wichtiger denn je.
Thos Gieskes, Oikocredits Geschäftsführer, erklärte dazu: „Wir sind stolz darauf, wie unsere Partner die Corona-Krise bislang bewältigt haben, und nicht zuletzt auch auf die Solidarität und die von uns geleistete Unterstützung. Wir können unseren Mitgliedern und Anleger*innen nicht genug für ihr nachhaltiges Vertrauen in unsere Arbeit danken. Und natürlich gebührt auch unseren Mitarbeiter*innen besonderer Dank dafür, dass sie Homeoffice und dezentrales Arbeiten so erfolgreich gemeistert haben.“
Gieskes weiter: „Dieses beispiellose Jahr hat Oikocredit auch einige nützliche Lehren für die Zukunft aufgezeigt und unseren Blick auf die Welt geschärft. Wir sind entschlossen, noch stärker und besser zu werden, um wirtschaftlich benachteiligte Gemeinschaften nachhaltig zu unterstützen. Zwar mögen sich die äußeren Entwicklungen auf unsere Ziele für 2021 auswirken und von uns weiterhin Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erfordern, doch schauen wir mit Zuversicht in die Zukunft.“
Mehr Informationen sind im Geschäftsbericht 2020 verfügbar, der Mitte April 2021 veröffentlicht wird.